Aphasie-Segeln 2024
Was sich auf den ersten Blick nach entspanntem Urlaub anhört, ist für alle Beteiligten, vor allem für Menschen mit eingeschränkten Sprachfähigkeiten und eingeschränkten Körperfunktionen, ein einziges langes Trainingslager. Das Leben an Bord ist herausfordernd. Einkaufen, kochen und auf See essen, aber auch spülen und putzen müssen gemeinsam erledigt werden. Und dann ist da natürlich noch das Segeln – selbst unter Anleitung einer qualifizierten Crew müssen die seemännischen Arbeiten erledigt werden. Ab- und Anlegen im Hafen, das Segel setzen und wieder einholen auf dem Meer – all das sind Aufgaben, die das Team gemeinsam erledigt. Dabei gehen praktisch alle an ihre sprachlichen, sozialen und physischen Grenzen. Start- und Zielort sind in der Regel der Liegeplatz des Schiffs, der Wappen von Ueckermünde. Um auf die Ostsee zu gelangen, gibt es nur einen Weg durch die Kaiser-Fahrt nahe der polnischen Stadt Swinemünde.
Auszüge aus dem Logbuch
Heute am ersten Tag sind wir nach dem Ablegen in Ueckermünde durch den Greifswalder Bodden mit 27 Knoten Windgeschwindigkeit (das sind gut 50 km/h!!) mit nur zwei Segeln gesegelt. Dabei hat das Schiff über 7 Knoten Geschwindigkeit erreicht. auf diese Weise sind wir schlechtem Wetter ausgewichen und relativ früh im Zielhafen Gager angekommen. Da das Fahrwasser hier sehr schmal ist, müssen rechtzeitig die Segel gerefft werden. wie genau das geht und welche Handgriffe dabei zu erledigen sind, wird während des Segelns erklärt.
Nach einer Nacht im Hafen und einem ausgiebigen Frühstück, segelte die Besatzung relativ spät aus Gager ab. Auf dem Rückweg durch das enge Fahrwasser war noch Entspannung angesagt, doch um etwa 13:30 Uhr wurden wieder Segel gesetzt. Ein herrlicher Tag auf offenem Wasser war die Belohnung.
Schon um kurz vor drei konnten wir die Segel wieder bergen, weil wir unserem Ziel Peenemünde nahe gekommen waren, beziehungsweise dort im Fahrwasser ohne Segel in den Hafen nach Peneemünde einfuhren. Nachdem alle dachten, es wurde ein guter Platz für die Nacht gefunden, wurde es doch noch einmal spannend. Die Crew hatte einen behindertengerechten Platz zum Ausstieg für alle Gehbehinderten gefunden. Dann haben uns aber leider das Kreuzfahrtschiff Junker Jörg und der Zweimaster Weiße Düne von unserem Liegeplatz vertrieben, die diesen Platz reserviert hatten und nun auch benötigen. Nach einigen Diskussionen mit den Verantwortlichen im Hafen, konnte jedoch noch ein Platz für die Nacht ergattert werden…
Der letzte Tag unseres Segeltörns auf der Ostsee fing ebenfalls aufregend an, denn es gab kleinere Probleme beim Ablegen. Das Manöver klappte nicht und wir mussten es noch einmal wiederholen, indem die zum Ablegen notwendigen Leinen umgelegt wurden. Dann klappte es. Dieser Liegeplatz war wirklich etwas über Kreuz mit uns. Danach ging es nach einer kurzen Strecke unter Motor wieder ans Segelsetzen. Diesmal setzte die Crew drei Segel. Mit einem günstigen Wind konnten wir, ohne zu kreuzen, fast auf gerader Linie unser Zwischenziel, die Kaiserfahrt bei Swinemünde, erreichen.
Wer dachte, dass nun körperliche Erholung auf dem Programm stand, sah sich getäuscht. Die Ruhe und Enge in der Kaiser-Fahrt nutzte die Crew, um das Deck zu schrubben. Was sich im ersten Augenblick nach Schikane anhört, hat aber einen wichtigen Hintergrund, denn in die feine Holzstruktur des Decks setzen sich mit der Zeit Algen ab, die mit dem Salzwasser aus der Ostsee herausgearbeitet werden müssen. Der ein oder andere blinde Passagier in Form von Spinnen, durfte sich in diesem Zuge ebenfalls eine andere Mitfahrgelegenheit suchen. Am Ende der Kaiser-Fahrt war das Team mit den Säuberungsarbeiten an Deck fertig und es ging wieder ans Segelsetzen. Alle freuten sich auf eine sonnige und angenehme Fahrt durchs Haff, das Ziel Altwarp, unserem letzten Liegeplatz vor Ueckermünde fest im Auge.
Unser letzter Tag durch das Haff brachte noch mal traumhaftes Segelwetter und wir konnten sogar den Geschwindigkeitsrekord des Törns brechen – fast zehn Knoten schnell segelten wir. Nach einem gekonnten Anlegemanöver der erfahrenen Skipper am Zerum in Ueckermünde (der Hafen ist sehr eng und das Schiff muss gewendet werden), gab es noch eine letzte Stärkung aus der Kombüse. So ging das gemeinsame Schiffputzen und Aufräumen noch einmal etwas leichter von der Hand, auch wenn alle am Ende der Woche erschöpft, aber glücklich, waren.